Jani Pietsch

"Ich hatte von Jani schon viel gehört, noch bevor ich sie kennenlernte. Offensichtlich hatte Marie, die beste Freundin meiner Frau, wiederum eine Freundin von der dauernd die Rede war: Jani. Das Jani Maries Mutter war und so präsent in Erzählungen und ihrem Leben, das fand ich schon außergewöhnlich!

Kennengelernt habe ich sie dann vor 12 Jahren, sie hatte gerade hier in Kufstein die Diss meiner Frau Anna Korrektur gelesen (Ah – eine Lektorin!) und zwar nachdem Anna Janis zweites Buch „Ich besaß einen Garten in Schöneiche bei Berlin“ Korrektur gelesen hatte (ach so – eine Autorin!) und Marie besuchte mit ihr eine Vorstellung im Theater am Kudamm.  Sie kamen direkt aus Janis neu erworbenem Atelier in der Merseburger Straße (Also eine Künstlerin?!).

Als wir nach der Vorstellung „auf ein Getränk“ zusammen im Dressler saßen und sie erzählte, sie habe die Originalfassung bereits in London gesehen (jetzt hab ich´s: eine Theaterkritikerin!!) fiel mir zuerst ihre große Herzlichkeit auf, bei der man sofort wußte, sie meint es wirklich so.  („Ich habe sooo gelacht!“ - schade,  doch keine Kritikerin!).

Vor zwei Jahren, also 2018, habe ich mich dann an Janis und Maries Projekt DMAO beteiligt und im Kudamm-Theater an zwei berühmte Theater-Leute erinnert, die vor den Nazis fliehen mussten, Max Reinhard und Oskar Kaufmann. Beide wurden von den Nationalsozialisten in ihrer künstlerischen Existenz vernichtet. 

Für mich veränderte sich dieser Ort durch das Gedenken, die Erinnerung an die Personen, die im Theater gewirkt hatten. Was für eine großartige und schlüssige Idee! Orte und Gedenken zu verknüpfen, Geschichte lebendig und erlebbar zu machen, Menschen zusammen zu bringen. Denn das tat Jani:

 Marie schrieb letzte Woche folgendes auf: 

Sie sucht so lange bis sie etwas findet. Jani nimmt Kontakt auf. Sie schreibt so ehrliche, herzliche Briefe an unbekannte Menschen, dass sie tatsächlich unserer Einladung folgen und nach Berlin in die frühere Wohnung kommen. Der Schwiegersohn von Ludwig Katzenellenbogen, damals 92 Jahre, sagt zu uns „Ihr seid Menschen, die unsere Welt schöner machen.“

Sie lud die Nachkommen ein nach Berlin, sie kommen aus den USA, Südamerika aus Holland aus der ganzen Welt und lernen sich in Berlin kennen.

Orte und Menschen verknüpfen- dann werden die Geschichten lebendig. Und das ist nicht nur bei DMAO so, sondern so war auch Janis eigenes Leben: Viele Orte und ein wahnsinnig vielfältiges Leben. 

Letzte Woche habe ich mit Marie und Simon zusammengesessen und die beiden haben Geschichten aus Janis Leben an diesen Orten erzählt. 

Janis erster Ort war der Harz, Clausthal Zellerfeld. Im Harz war Jani -  das heißt eigentlich Juliane, aber ihre große Schwester Birgit hatte Schwierigkeiten mit der Aussprache des Namens, und so blieb es bei Jani – dort war Jani draußen, dort war sie Kind, ein glückliches Natur – und Dorfkind.  

Als Kinder in Clausthal schockierten Birgit und Jani gerne die Kollegen ihres Vaters indem sie die zuvor mit Kreide bemalte Straße auf dem Boden liegend mit ihrer Zunge ableckten.

Über 40 Jahre später, 1998, waren einige der noch lebenden Kollegen ihres Vaters abermals geschockt,als nämlich Jani, das kleine Mädchen, das gerade noch Kreide von der Straße geleckt hatte,  ein Buch veröffentlichte: „Sprengstoff im Harz- Zur Normalität des Verbrechens: Zwangsarbeit in Clausthal-Zellerfeld “ 

Zuvor war Jani nach Clausthal gereist und hatte ehemalige Kolleginnen und Kollegen ihres Vaters interviewt. 

Als sie 10 war ist sie dann mit den Eltern und Birgit nach Bad Homburg gezogen – neuer Ort. Aber sie wollte nicht weg aus dem Harz. Bad Homburg war dann auch gar nicht so Janis Welt, viel zu bürgerlich! Sie haben das beste draus gemacht, Jani und Birgit.  Wenn sie mit dem Hund gingen, sind sie heimlich ins Café Molitor, um dort mit den „älteren Herren“ zu tanzen.

In die Bad Homburg-Zeit fallen auch die Urlaube in den Höhlen in Spanien, El Pedo, wo Janis Eltern, die Wissenschaftler waren, die Höhlenmalereien erforschten.

Jani war immer sehr beeindruckt von all den unbekannten spanischen Köstlichkeiten, das Gegenteil der 50er Jahre-Küche in Deutschland, und von den spanischen Mädchen mit ihren weißen Kleidern und Schürzen direkt aus dem 19. Jahrhundert, zu bewundern im großen Speisesaals des Hotels in dem sie wohnten.

Nachts haben die Eltern sich auf den Toiletten auf dem Korridor des Hotels eingesperrt, um ihre Fotos zu entwickeln- wie sie selbst schreibt „über Stunden und in stoischer Ruhe“. Vor der Toilettentür bildeten sich lange Schlangen, aber sie blieb verschlossen... Jani war das etwas unangenehm- aber sie hat später gesagt, dass sie die Begeisterung und Unbeirrbarkeit der Eltern in diesen Forscherurlauben erlernt hat.  

Auch Birgit und Jani mussten manchmal lange vor der Höhle warten.

An einem besonders heißen Tag trinken Birgit, Jani und Maria Esther, eine spanische Spielgefährtin, zunächst alle Wasservorräte aus und schließlich   der Durst lässt ihnen keine Wahl – muss das einzig noch verfügbare Getränk dran glauben: Rotwein!

Keine besonders gute Idee.

Die Nachricht über den ungewöhnlichen Zustand ihrer Kinder erreicht die Eltern über ein anderes deutsches Forscherpaar, dass den langen Weg zu ihnen in die Höhle gekrochen kommt und  verkündet: „Ihre Kinder wälzen sich betrunken im Staub!“. 

Ein sehr wichtiger Ort in ihrem ganzen Leben war für Jani New York, wo Janis Patenonkel Dimi lebte. Ich würde hier gerne kurz vorlesen, was Jani über Dimi geschrieben hat, denn daraus wird klar, dass sie in Dimi so etwas wie ihren Seelenverwandten gesehen hat. Das Zitat trifft nämlich genauso auf sie selbst zu!  

„As my beloved godfather you stuck with me through peaks and valleys, with your unconditional love for life, your unique sincerity, with your breakneck speed and work ethos. I´ve never met a person as generous and courageous as you.“

Jani ist zum ersten Mal mit 20 nach N.Y. gereist. Schon die Umstände der Reise erzählen viel über sie. Sie hatte nämlich große Angst vor dem langen Flug nach Übersee, wollte aber trotzdem hin. Was tun?

 Kurzerhand buchte sie eine Schiffspassage von Bremerhaven nach New York. 7 Tage auf hoher See, Einfahrt im den Hafen, Blick auf die Freiheitsstatue inklusive. 

Zurück ging es dann doch mit dem Flugzeug. „Dann hab´ich es ja gesehen, dann macht es nichts mehr, wenn ich abstürze.“

Ganz unvorbereitet wollte sie allerdings nicht in den Flieger steigen. In Deutschland wurde probehalber ein Inlandsflug gebucht.

Jani reist noch oft nach New York um ihren Patenonkel zu besuchen. Im Gepäck, als Schmuggelware, immer einen geräucherten Aal von Rogacki aus der Wilmersdorfer Straße, bei dessen Anblick Dimi jedesmal vor Begeisterung aufschreit."

(Auszug aus der Trauerrede zu Janis Verabschiedung im August 2020 von Oliver Dupont).